Polarfrontjet verlangsamt sich markant: Kommende Winter dürften eisig und schneereich werden


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Rossbywellen (planetare Wellen) sind als die Grenzbereiche zwischen der kalten Polarluft der Polarzelle und der warmen Subtropenluft der Ferrel-Zelle (planetarische Zirkulation der Troposphäre) vorwiegend auf der NHK bekannt bzw. aktiv (siehe Videosequenz). Diese fundamentale Luftmassengrenze der planetaren Zirkulation (Polarfrontjet) verläuft nur selten zonal von West nach Ost: Häufig mäandriert sie in Wellenform über die NHK (Rossbywellen), wie das Video anschaulich zeigt. Die roten Bereiche markieren dabei die Zentren des Polarfrontjets mit den höchsten Windgeschwindigkeiten (bis zu 540 km/h) in etwa 300 hPa / 9000 Meter Höhe. Zwischen zwei Wellenbergen (Rücken) liegt jeweils ein Wellental (Trog). 2 Rücken und ein Trog zeigen eine Rossbywelle.

Ausgelöst werden die Wellenbewegungen 1. durch die Rocky Mountains, die quer zur zonalen Windrichtung stehen (Wechselwirkung Relief und Klima), 2. durch die scharfen horizontalen Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd (Stichwort Eisbilanz, Meeres- und Luftströmungen) sowie 3. auch durch die vertikalen Temperaturgegensätze zwischen der Troposphäre und der darüber liegenden Stratosphäre (Stichwort Sonnenaktivität & Top Down Effekt). Bisher konnte man in den Wintermonaten kaum eine Veränderung der zonalen Windgeschwindigkeiten des Polarfrontjets feststellen. Dieser war in den Wintermonaten naturgemäß stets stärker als in den Sommermonaten und brachte uns in der Regel milde winterliche Westwinde.

Wissenschaftler haben nun aber herausgefunden, dass es in den letzten Jahren zu einer markanten Verlangsamung der zonalen Winde in den Herbst- und Wintermonaten gekommen ist, wie der blaue Graph (Januar, Februar, März) und der braune Graph (Oktober, November, Dezember) zeigen. Eine daraus ableitbare direkte Folge ist die Zunahme der Kälteeinbrüche mit Schnee und Frost in den letzten Wintern:

  • 1. Verlangsamung der zonalen Winde im Winterhalbjahr

  • 2. Schwacher Polarfrontjet

  • 3. Gestörte Zirkulation & Verlangsamung der Rossbywellenverlagerung

  • 4. Risiko für schneereiche und kalte Winter steigt

Andererseits zeigen die Graphen auch die stürmischen und milden Winter der 90er Jahre durch den Peak der blauen Kurve mit einer sehr schnellen Geschwindigkeit der zonalen Winde und einer aktiven Westdrift (aktiver Polarfrontjet). Auffällig ist der markante Einbruch der winterlichen zonalen Windgeschwindigkeiten ab etwa 2008, gefolgt von ersten unerwartet heftigen Wintereinbrüchen in Deutschland und Teilen Europas in 2009, 2010, 2012 und 2013:


(Quelle)


Bei anhaltendem Trend stehen uns unweigerlich eisige und schneereiche Winter in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten bevor. Daher stellt sich die folgende Frage: Warum haben sich nun die zonalen Windgeschwindigkeiten derart markant verlangsamt? Da sich die Lage der Rocky Mountains nicht verändert hat, bleiben nur noch zwei Effekte übrig:

  • 1. Veränderung der Sonnenaktivität, die sich über den Top Down-Effekt auf die Geschwindigkeit der zonalen Winde und somit auch auf die Rossbywellen und Großwetterlagen auswirkt

  • 2. Abnahme der scharfen Temperaturgegensätze zwischen Nord und Süd – genauer: Zwischen den mittleren und hohen Breiten (Arktis / Eisbilanz)
     

Nachfolgend wird auf das aktuelle Sonnenminimum sowie auf die Eisbilanz als Ursachen der zugrunde liegenden Beobachtungen eingegangen:

I Das Sonnenminimum und die Rossbywellen: Der Top Down-Effekt

Die (E)UV-Strahlung der Sonne wird von der Stratosphäre aufgenommen und erwärmt sie. Dadurch entstehen Stratosphärenwinde, die über den Polarfrontjet Einfluss auf Rossbywellen und somit auch auf das Wetter der Troposphäre nehmen:

Wie bekannt, steuern wir in eine Phase sehr schwacher Sonnenaktivität für Jahrzehnte zu. In Zeiten solarer Schwäche, erhält die Stratosphäre weniger Energie und erwärmt sich folglich weniger (vertikaler Temperaturgradient). Das schwächt sowohl die Stratosphärenwinde als auch den Polarfrontjet und kann als Ursache für die Veränderungen der Großwetterlagen während Sonnenminima herangezogen werden.


II Die Eisbilanz und ihr Einfluss auf den Polarfrontjet

Es entscheidet nicht nur die Sonnenaktivität die über Geschwindigkeit der zonalen Winde: Ein zweiter und ebenso wesentlicher Aspekt sind neben den vertikalen Temperaturgegensätzen auch die horizontalen Temperaturgegensätze zwischen der kalten Polarluft und der warmen Subtropenluft. Auch hier hat sich in den letzten Jahren etwas getan:

Die oben bereits verlinkte Studie untersuchte die Rossbywellen in diesem Zusammenhang auch im Hinblick auf Ihre Verlagerungsgeschwindigkeiten und Amplituden: Durch den Eisschwund in der Arktis, den einige Forscher auf zyklische Veränderungen der Ozeanströmungen der AMO und PDO, angetrieben durch die Sonnenaktivität zurückführen, erwärmt sich die Arktis stärker und kann die Wärme im Winter besser an die Atmosphäre abgeben. Das führt zu einer positiven Druckanomalie über dem Pol und einem verringerten Temperaturgradient zwischen den Polen und den mittleren Breiten (negative NAO). Auch das lässt den Polarfrontjet und die Rossbywellenverlagerung verlangsamen und führt zudem zu größeren Amplituden (Auskeilungen) der Rossbywellen nach Norden. Die größeren Amplituden führen ebenso zu einem verstärkten Warmlufttransport zum Pol, der wiederum die Eisschmelze begünstigt (positive Rückkopplung).


Ebenso wurde untersucht, ob sich der gesamte Rossbywellenkomplex nach Norden verschoben hat oder nicht (Verlagerung der Frontalzone nach Norden). Hier geht es zum Vortrag in der Kurz- und Langfassung:



Folgen einer gestörten Zirkulation

Die Studien / Videos zeigen, dass eine Verlangsamung der Rossbywellen und eine Nordverlagerung der gesamten Frontalzone festgestellt werden konnte. Doch welche Auswirkungen hat eine gestörte Zirkulation auf unsere Wettermuster?
Eine gestörte Zirkulation verlangsamt die Ost-West-Verlagerung von Rossbywellen und begünstigt daher Strömungen, die sich anstatt von Ost nach West von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord bewegen (Meridionalzirkulation). Ist die Zirkulation stark geschwächt, so kommt eine West-Ost-Verlagerung der Rossbywellen zum Erliegen (stehenden oder quasistationäre Rossbywelle). Diese Situationen führen unweigerlich zu extremen Wettergegensätzen- und Gefahren, die über Wochen oder gar Monate anhalten können. Für die Sommermonate bringen quasistationäre Rossbywellen entweder markante Hitzewellen und Dürren mit sich (Russland 2010 / USA 2012) oder anhaltende nasskühle Troglagen mit Hochwassergefahr (Mitteleuropa 2013). Für die Wintermonate, in denen wir die markantesten Veränderungen hinsichtlich der zonalen Windgeschwindigkeiten feststellen konnten, bedeutet eine gestörte Zirkulation eine erhöhte Gefahr für eisige Kältewellen in Eurasien und Nordamerika (USA, Frühjahr 2013).

Graphische Darstellung der Veränderungen für die Wintermonate:

Die untere Abbildung zeigt die dominierende Winterzirkulation der milden 90er Jahre. Die Winter waren mit Ausnahmen oft mild, stürmisch und nass. Durch die starken zonalen Winde konnten sich sehr kalte Luftmassen kaum nach Süden bewegen, Kältewellen blieben die Ausnahme:


Die untere Abbildung zeigt die dominierende Winterzirkulation für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte: Der Polarfrontjet ist schwach und eisige Luft aus Norden kann weit nach Süden ausfließen (Wellental / Trog). Im Gegensatz dazu strömt relativ milde Luft weit nach Norden (Wellenberg / Rücken). Nicht selten werden in Grönland relativ milde Temperaturen gemessen, wenn es in Eurasien erheblich zu kalt ist. Die nach Norden strömende relativ milde Luft kühlt jedoch rasch auf ihrem Weg nach Norden aus, so dass die Hauptgefahr bei diesem Zirkulationstyp von anhaltenden Kältewellen und Schneestürmen ausgeht:


In Extremfällen teilt sich der Polarwirbel in drei oder mehr eigenständige Wirbel auf. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zirkulation besonders massiv gestört. Die Folgen davon sind markante Kältewellen und Schneestürme:


Durch alle genannten Gründe deutet daher einiges darauf hin, dass die nächsten Winter eisig und schneereich werden dürften. Unklar ist und weiterer Forschung bedarf es um zu klären, welcher Effekt, ob Sonne, Eisbilanz oder beide, letztendlich als der dominierende Anteil für die Abnahme der zonalen Winde angesehen werden kann. Durch das neue Sonnenminimum sowie durch die aktuelle Eisbilanz rechne ich für die nächsten Jahre (womöglich auch Jahrzehnte) jedoch nicht mit einer baldigen Genesung winterlicher zonaler Windgeschwindigkeiten – mit den beschriebenen meteorologischen Folgen.