El Niño 2015: Rückblick und Ausblick für 2016

Hintergrundinformation

El Niño-Southern Oscillation (ENSO) ist ein in wechselseitigen Beziehungen stehendes Zirkulationssystem zwischen der Atmosphäre und dem äquatorialen Pazifik, welches die globalen Temperaturen durch den thermischen Antrieb der ENSO mit einem Timelag von etwa 5 bis 6 Monaten über Jahre und Jahrzehnte hinweg bestimmt, während die Sonnenaktivität einen Einfluss auf die ENSO-Phasen selbst zu haben scheint. Vereinfacht gilt:

EL NINO:
Schwache Passatwinde, warme äquatoriale Wassermassen im Pazifik, positiver thermischer Antrieb -> globale Erwärmung, generell häufiger während Sonnenmaxima

LA NINA:
Starke Passatwinde, kalte äquatoriale Wassermassen im Pazifik, negativer thermischer Antrieb -> globale Abkühlung, generell häufiger während Sonnenminima

Neutraler Zustand:
Weder das eine, noch das andere Extrem treten auf:

Die obere Grafik verdeutlicht beide Extreme. Wie eine gigantische Herdplatte heizen warme Wassermassen (EL NINO) der mehrmaligen Fläche Europas unseren Planeten kurzfristig auf, während das kalte Pendant (LA NINA) zu einer globalen kurzen Abkühlung führt. Häufen sich LA NINAs mehrjährig, kann die abkühlende Wirkung auf die globalen Temperaturen intensiviert werden. Häufen sich EL NINOs, hat dies eine Erwärmung der Atmosphäre zur Folge. Dieser Einfluss der ENSO auf die globalen Temperaturen wird “thermischer Antrieb” genannt. ENSO führt ferner zu extremen äquatorialen Wetterlagen. Beispielsweise kann die erhebliche Variation der Niederschläge an den Küstengebieten Ecuadors und des nördlichen Perus genannt werden. Über die Regulierung globaler Temperaturen und Windzirkulationen sind neben den äquatorialen Auswirkungen auch weltweite Auswirkungen bekannt. Ein Beispiel dieser weltweiten Auswirkungen der ENSO über die Äquatorgrenze hinaus (Teleconnection), ist die schwere Flut in Pakistan 2010, die durch ein intensives LA NINA-Ereignis ausgelöst wurde (siehe “MEI” in der unteren Grafik). Auch die schweren Fluten in Victoria/Australien 2011 und Queensland/Australien 2010/2011 wurden ebenso durch das gleiche LA NINA-Ereignis ausgelöst. Ähnliche Teleconnections tangieren auch Europa, auch wenn hier die Auswirkungen der jeweiligen ENSO-Phase nicht so dramatisch sind wie in anderen Regionen der Welt.  Dennoch kommt es während eines vorangegangenen oder anhaltenden EL NINOs häufiger zu kalten Wintern in Europa. Die nächste Abbildung zeigt den MEI, den multivarianten ENSO-Index. Dieser ist, einschließlich der SOI, mit einem Atmosphäre-Ozeanmodell gekoppelt. Er zeigt die ENSO-Phasen der letzten 55 Jahre auf. Auffällig sind mehrjährige Phasen, in denen warme EL NINOs dominieren (1977 – 1998 einschließlich dem Super-EL NINO 1997/1998) sowie Phasen, in denen kalte LA NINAs dominieren (1950 – 1977 & ab 1998). Dementsprechend ist der thermische Antrieb der ENSO auf die globalen Temperaturen phasenweise positiv oder negativ:

Aktuelle ENSO-Parameter 2015/2016
Die nächste Grafik zeigt die Temperaturanomalien der äquatorialen pazifischen Wassersäule zwischen Australien (links) und Südamerika (rechts) bis zu einer Wassertiefe von 400 Metern für die Monate Oktober 2015 bis  Januar 2016. Wir erkennen durch die starke Warmwasseranomalie einen EL NINO im Jahr 2015 mit einem Höhepunkt in den Monaten Okt-Dez 2015, als die Warmwasseranomalie die Oberfläche auf breiter Front erreichte. Ab Januar 2016 scheint sich die Warmwasseranomalie langsam abzuschwächen, um in einen möglichen LA NINA im 2. Halbjahr 2016 überzugehen:

 

Die oben gezeigte Grafik macht deutlich, dass sehr warme Wassermassen die Meeresoberfläche erreicht haben. Dies zeigen als Maß für die Temperaturanomalie im äquatorialen NINO3.4-Gebiet auch die sogenannten 3-Monats-ONI-Werte an: In den letzten 9 3-Monats-Sequenzen wurden immer Werte über +0,5K erreicht. Der letzte 3-Monats-ONI OVD 2015 (Oktober, November, Dezember 2015), erreichte sogar einen Spitzenwert von +2,3K. Dies wurde so letztmalig beim großen EL NINO 1997 erreicht wie die Tabelle zeigt:

 

Liegen die 3-Monats-ONI-Werte des NINO 3.4-Gebietes in mindestens 5 aufeinanderfolgenden Dreimonatssequenzen bei +0,5 oder mehr (EL NINO) bzw. bei -0,5 oder weniger (LA NINA), so spricht man nicht mehr nur von “Bedingungen” sondern von “Ereignissen“. Auch dies verdeutlicht die obige Tabelle. Das letzte LA NINA-Ereignis fand demnach in den Jahren der pakistanischen und australischen Flut 2010/2011 und mit kurzer Unterbrechung sogar bis 2012 statt. Das vorletzte EL NINO-Ereignis demnach in der 2. Jahreshälfte 2009 bis etwa Mitte 2010. Das letzte sehr große EL NINO-Ereignis fand 1997/98 mit 3-Monats-ONI-Werten von bis zu +2,3 statt – gefolgt durch einen Peak der globalen Temperaturen. Der aktuelle EL NINO ist im Jahr 2015 zu verzeichnen. Liegen die ONI-Werte zwischen +/-0,4 , so herrschen neutrale ENSO-Bedingungen vor.

SOI
Der Southern Oscillation Index (SOI) ist ein Maß für die Luftdruckdifferenzen zwischen Tahiti und Darwin (Australien). Sind die Luftdruckdifferenzen groß (positive Werte), wehen starke Passate. Diese erhöhen die Wahrscheinlichkeit für ein LA NINA wie in 2010. Sind die Luftdruckdifferenzen gering (negative Werte), kommt es eher zu einem EL NINO. Aktuell liegt der SOI mit -20 im typischen Bereich für ein EL NINO-Ereignis, nachdem er in den letzten Jahren über weite Strecken im Plusbereich lag:




Anomalie der Passatwinde
Die Anomalie der Passatwinde (stärker oder schwächer als üblich) hängt direkt mit dem SOI zusammen. Je kleiner der SOI, desto schwächer die Passate (EL NINO), je größer der SOI, desto stärker die Passate (LA NINA): “Trade winds have been consistently weaker than average, and on occasion reversed in direction (i.e. westerly rather than easterly), since the start of 2015. During La Niña events, there is a sustained strengthening of the trade winds across much of the tropical Pacific, while during El Niño events there is a sustained weakening of the trade winds.(BOM 2015):


Bewölkung / Ausgehende Strahlung
Auch die Bewölkung am Äquator ist ein wichtiger ENSO-Indikator
“Cloudiness along the equator, near the Date Line, is an important indicator of ENSO conditions, as it typically increases (negative OLR anomalies) near and to the east of the Date Line during El Niño and decreases (positive OLR anomalies) during La Niña.” (BOM 2015) Dies liegt daran, dass während LA NINAs kaltes Wasser an der Oberfläche ansteht, welches Konvektion und Wolkenbildung verhindert. Die ausgehende Strahlung ist dann also verstärkt (gelb in der Grafik). Bei EL NINOs ist das Wasser deutlich wärmer. Das begünstigt die Wolkenbildung und Niederschläge. Die ausgehende Strahlung ist dann also reduziert (blau in der Grafik). Aktuell haben wir mit 170 W/m2 OLR also eine stark reduzierte OLR (Outgoing Longwave Radiation), also EL NINO:

Vorhersagen der kommenden Entwicklung
CFSv2

NOAA geht mit ihren wöchentlichen ENSO-Updates davon aus, dass sich EL NINO im Verlauf des Jahres 2016 nach dem EL NINO-Höhepunkt im Dezember 2015 sukzessive abschwächen wird und im Sommer 2016 schon neutrale ENSO-Konditionen vorherrschen werden. Das NOAA/CFSv2-ENSO-Modell rechnete vom 3. Januar 2016 bis 12. Januar 2016 neutrale ENSO-Konditionen zur Jahresmitte 2016. Zu dieser Projektion können etwa 0,5K (Justierungsdifferenz) abgezogen werden, um auf realistische Werte von etwa -0,2 zum 3-Monats-ONI August-September-Oktober (ASO) 2016 zu kommen. Damit stünden wir kurz vor LA NINA-Bedingungen in Richtung Herbst/Winter 2016…:

(Quelle)

 

WICHTIG: Die erheblichen Differenzen zum tatsächlich gemessenen ONI rühren bei CFSv2 daher, dass CFS Satellitendaten nutzt, während die zugelassenen tatsächlichen Messungen für den ONI-Wert (obere Tabelle) von Realmessungen (z.B. Bojen) stammen. Dazwischen liegen Differenzen, die praktisch immer etwa +,05K bei CFSv2 gegenüber dem tatsächlichen ONI abbilden. Neben den fehlenden Justierungen stellen auch Wolkenschichten/Konvergenzschichtungen in verschiedenen Höhen der mittleren bis untersten Troposphäre ein Problem dar, die das Ergebnis der SAT-Daten von CFSv2 erheblich die Ergebnisse besonders in der untersten Troposphäre beeinflussen. Es muss also eine Justierungs-Differenz von etwa +0,5K abgezogen werden.


Vorhersagen der kommenden Entwicklung
Dynamische und statistische Modelle NOAA/IRI/CPC

Die dynamischen und statistischen Modelle NOAA / IRI / CPC sehen ebenso eine deutliche Abschwächung des EL NINOs im Jahresverlauf 2016, der “Plume-Based Forecast” sieht für SON (September, Oktober, November) sogar eine kanpp 60%-tige Wahrscheinlichkeit für eine kalte LA NINA mit einem ONI von nahe -1:

 



(Quelle)

Die aktuellen NOAA/CPC-ENSO-Langfristprojektionen sehen von OND 2016 bis JFM 2017 mit ONI-Werten von -0,89, -1,1, -1,26, -1,08 bereits global kühlende LA NINA-Bedingungen:

Vorhersagen der kommenden Entwicklung
BOM
Die australische Wetterbehörde BOM gibt auf ihren Internetseiten einen Modellvergleich heraus der zeigt, wie einzelne Modelle die ENSO-Entwicklung für kommende Monate einschätzen. Während NOAA, wie beschrieben, die Grenze zu EL NINO bei +0,5K sieht (LA NINA -0,5K), so schreibt BOM eine Grenze von jeweils +/-0,8K Temperaturabweichung im NINO 3.4-Gebiet vor (Grafik siehe unten). Der Trend zeigt eindeutig, dass die Mehrheit der Modelle das Ende des EL NINOs sehen, mit überwiegend neutralen Bedingungen Mitte 2016. Zur 2. Jahreshälfte werden LA NINA-Bedingungen immer wahrscheinlicher:

ENSO – Entwicklung und die globale Temperatur
ENSO besitzt eine um etwa fünf bis sechs Monate zeitversetzte Wirkung auf die globalen Temperaturen. Unter Berücksichtigung der beschriebenen ENSO-Entwicklung im Jahr 2016 ist eine Abkühlung der globalen Temperatur durch ENSO in 2016 wahrscheinlich.